Montag, 28. Oktober 2013

Verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch auch im Verhältnis von Wohnungseigentümern

Kann ein Wohnungseigentümer eine Entschädigung für Vermögensnachteile verlangen kann, die er durch eine von einer benachbarten Wohnung ausgehenden rechtswidrigen Einwirkung auf seine Wohnung erlitten hat, wenn ein Verschulden des Nachbarn nicht festzustellen ist? Gilt dies auch im Verhältnis von Mietern, die die Räume von Wohnungseigentümern angemietet haben?

Diese Fragen hatte jetzt der BGH (Bundesgerichtshof) zu entscheiden. Die Beklagte betrieb im dritten Obergeschoss eines Gebäudes ein ambulantes Operationszentrum. In dem darunter liegenden Stockwerk befand sich die Arztpraxis von Dr. W. (im Folgenden Versicherungsnehmer), dessen Versicherer die Klägerin ist. Das Grundstück ist nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteilt. Sowohl der Beklagten als auch dem Versicherungsnehmer waren die von ihnen genutzten Räume, die im (Sonder-)Eigentum unterschiedlicher Wohnungseigentümer stehen, jeweils mietweise überlassen worden. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni 2007 löste sich im Sterilisationsraum der Beklagten eine Schlauchverbindung, wodurch es zu einem Wasseraustritt und zu Schäden auch in den Praxisräumen des Versicherungsnehmers kam. Den Schaden glich die klagende Versicherung in Höhe von 165.889,76 € aus. Diesen Betrag verlangt sie nunmehr von der Beklagten aus übergegangenem Recht.

Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dabei hat es offen gelassen, ob die Beklagte ein Verschulden an dem Schadensereignis trifft, weil es darauf nach der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht ankomme.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil bestätigt, soweit es um die analoge Anwendung der genannten Vorschrift geht. Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Eigentümern benachbarter Grundstücke ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dem beeinträchtigten Grundstückseigentümer bzw. dessen Mieter ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zustehen kann. Gleiches gilt im Verhältnis von Sondereigentümern (bzw. hier deren Mietern), weil es sich bei dem Sondereigentum um "echtes Eigentum" handelt, das dem Wohnungseigentümer alleine zusteht, und mit dem dieser grundsätzlich nach Belieben verfahren und jeden anderen von Einwirkungen hierauf ausschließen kann. Da das Sondereigentum als eine Art Ersatzgrundstück fungiert, sind die Wohnungseigentümer insoweit wie Eigentümer benachbarter Grundstücke zu behandeln.

Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, das ggf. noch über die Höhe der Entschädigung entscheiden muss.

* § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.
(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

V ZR 230/12 – Urteil vom 25. Oktober 2013

Wohnungseingangstüren sind Gemeinschaftseigentum

Der BGH (Bundesgerichtshof) hat klargestellt, dass "Wohnungseingangstüren räumlich und funktional in einem Zusammenhang sowohl mit dem Sonder- als auch dem Gemeinschaftseigentum stehen, weil sie der räumlichen Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum dienen".

Damit scheiterte der Versuche eines Wohnungseigentümers, sich gegen den mehrheitlich gefassten Beschluss der Eigentümerversammlung über die Gestaltung der Wohnungstüren einer Wohnungseigentumsanlage zu wehren. Auch seine Wohnungstür wird jetzt "aus Holz in der Farbe "mahagonihell" gefertigt" und mit einem "Glasscheibeneinsatz genau festgelegter Größe in drahtornamentweiß" versehen.

Nachdem er beim Amtsgericht mit seinem Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses zunächst noch erfolgreich war, hob das Landgericht dieses Urteil wieder auf und wies seine Klage ab. Und der BGH stellte schließlich fest, dass Wohnungseingangstüren "zwingend Teil des gemeinschaftlichen Eigentums der Wohnungseigentümer sind". Und das gilt selbst dann, wenn die Teilungserklärung die Tür dem Sondereigentum zuordnet (Urteil vom 25. Oktober 2013 - V ZR 212/12).






Freitag, 18. Oktober 2013

Mietvertrag gilt auch für Immobilien-Käufer

Im Mietvertrag war eine Bestimmung zum Schutz der Mieterin vor einer Kündigung durch die Vermieterin enthalten, wonach eine Auflösung des Mietverhältnisses durch die Vermieterin "wichtige berechtigte Interessen" voraussetzte und "nur in besonderen Ausnahmefällen" zulässig war. Acht Jahre später wurde das Gebäude verkauft mit einer an spätere Erwerber weiterzugebenden Mieterschutzbestimmung, die eine Kündigung wegen Eigenbedarfs und die Verwertungskündigung ausschloss. 


Beim abermaligen Verkauf nach wiederum drei Jahren fehlte diese Schutzbestimmung. Im Jahr darauf erhielt die Mieterin eine Eigenbedarfskündigung.

Der BGH hat nun die Räumungsklage abgewiesen, weil eine Kündigung nach § 573a Abs. 1 Satz 1 BGB durch die im Mietvertrag enthaltene Kündigungsbeschränkung ausgeschlossen ist. Gemäß § 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber vermieteten Wohnraums anstelle des Vermieters in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ein, was auch für die Kündigungsbeschränkung gelte, so der Bundesgerichtshof (Urteil Az. VIII ZR 57/13 vom 16.10.2013).Wer eine Immobilie erwirbt, sollte daher vorher unbedingt bestehende Mietverträge einer genauen Prüfung unterziehen.